(Erde)

•9. Februar 2016 • Kommentar verfassen

Ein Lächeln hat sich in mein Gesicht verbissen. Es presst sich streng durch die Trauerweiden und Rosmarinsträuche; sein Hals liegt zwischen den urzeitlichen Ösen der Landschaft und wildert. Und im Holz, auch dort steckt es. Es vibriert auch auf den Hügelkuppen und in deren erheblich fleißigeren Auslaufphasen. Ich lasse meinen Mund oszillieren; ich beiße das Blut aus den Lippen und lasse es schließlich zurückschaukeln. Mutter steigt ins Haus. Mutter steigt aus dem Haus. Ich lehre dir, die Wiesen zu falten. Sie führt mich zu den Wiesen, sie legt die Köpfe der männlichen Halme an die Bäuche der weiblichen Halme und die Köpfe der weiblichen Halme an die Bäuche der männlichen Halme.
Und ich weiß

Ich lebe auf der kalten Veranda wie in einem Höhlenreich; ich bin stattlich wie Vieh. Manchmal spiegeln sich meine Knie im Nacken von Mutter, die draußen im Schlaf das Feld bestellt. Ich lächle; in der E. wartet ein Mädchen auf mich; ich schrieb es ihr auf ihren Schal, damit sie nicht noch schwächer werden kann. Sie drückt sogar die Feuchtigkeit des Schlafes in den Schal, ich weiß es; für Schwankungen der Luftfeuchtigkeiten sind wir schon immer sehr anfällig gewesen. Die Naturfeuchtigkeit nimmt uns nicht immer die feuchte Arbeit.
Der Gleichgewichtssinn liegt im Kinderhimmel; diese Dinge machen achtsam. Meine Mutter schüttelt ihren Schädel. Mutter steigt ins Haus. Mutter steigt aus dem Haus. Nun werde ich dir zeigen die Wälder zu demütigen. Sie führt mich zum Wald und verflucht die grün zerfetzten Häupter; den Wurzeln lässt sie nur gelegentlich sanftere Flüche zukommen; die Häupter schieben sich ineinander und füllen sich zu festen Bällen auf.
Und ich weiß

Meine Mutter kreischt öfter unvermittelt. Das liegt an meiner Dummheit, sagt sie. Ich falte die Arme über das Dach und lasse die Tiere aus dem Feld. Ich hätte Salz heißen sollen, schreit Muttern. Oder sie denkt es. Wer hier lebt, der braucht ein Feld; ich habe das Mädchen; Mutter hat das Feld – ich weiß, sie wird es nicht soweit kommen lassen, dass ich erbe. Lieber würde sie ewig leben, sagt sie vor sich hin, stetig. Das Lächeln im Gesicht meiner Mutter tritt ausschließlich aus linkischen Gründen ans Licht. Sie ist eine ehrliche Frau und meine Lüge ist das Gift ihrer Ehrlichkeit.
Gelegentlich sammle ich alle Sterne in meinem Speichel, in dem sie nicht weniger gefügig sein dürfen, als es die Fliegen sind und am Morgen, an jedem holprigen Morgen, klebt der Ahorn und Schweiß an meinem Mund und das Leben fühlt sich an wie eine langsame Insomnie. An einem Morgen war die Sonne auf dem Feld liegen geblieben und warf unsere Schatten übergroß in die Hügel. Meine Mutter sagt, ich hätte geträumt, aber sie ist tückisch. Ihre Spiele sind genau und undurchschaubar. Sie hat die Sonne vom Feld genommen, sie hat die Sonne mitgenommen. Mutter steigt ins Haus. Natürlich; man sagt, dass, da Artemis mit den Augen der Tiere sieht, sich diese eins auf den Bauch gelegt haben und warten. Aber laut Mutter hab‘ ich keinen Mund für so etwas. Was für eine Erleichterung für sie. Mutter dreht auf der Schwelle; sie dreht sich in den Himmel. Sie legt sich vor das Haus, wirft ihren Rücken auf die Erde und langsam hebt sie sich über diesen steinernen Albtraum wie auf ein Mausoleumspodest. Auf dem Podest liest sie seine Zeilen stumm in sich hinein:

Mutter
(schließe deinen Mund)
(nimm den Abend hinein)
(sprich das Land still)
(erwähne den Teil des Fleisches)
(betrete den Abend)
(schweig und drehe)
(spiel das Land)

Ich lege meine Hände über dem Haus zusammen und würge Mutter wach. Ihr Speichel rinnt links und rechts vom Haus. Mutter kreist über dem Haus. Beherrsche dich, warte in der Stadt auf mich; dort muss es wie ein heilsamer Albtraum auf mich wirken. Mutter wirkt alt.
Nun werde ich dir zeigen, wie man das Feld vergräbt, doch wir müssen und beeilen; bald hebt sich der Mond in das Tal.

(Monstrum)

•23. Januar 2016 • Kommentar verfassen

Der zu ihm kam, in der Absicht ihm ein Traktat anzubieten, stellte sich als Vesco vor. Maurice stellte sich vor, dass sein Kopf ein singender Kasten ist. Er schob die Excerpte der heiligen Schrift zügig mit seinem Brot in die Aktentasche und erwartete, dass der alte Mann ihm folgen würde, was dieser, zu seinem Erfreuen, nicht wagte.
Maurice betrat das Café und bat darum, dass die Lichter heruntergefahren würden, was ihm aufgrund des nahenden Geschäftsschlusses ohne Aufpreis gewährt wurde. Im Studio gegenüber leuchteten ihm Lichter in einer langen, südlichen Schlange durch ein aufgeschlagenes Fenster, umriss Teile, Segmente der Welt, in denen die Auslassung wie eine Lende brannte. Maurice wartete auf das Algengespinst der Nacht; er fegte seinen auserwählten Teil des Abends frei, während sich der lange Flügelschlag einer kirschschwarzen Taube darüber ergoss.
Martinsnacht; langsam stellten sich Sphinxen an die Stelle der alten Frauenköpfe zurück. Das Körperlos. Irgendwo liegt die Liebe, allerdings in einem aufgetürmten Stapel Schmutzwäsche. Es existieren noch jene, die das angestrahlte Wasser aufsammeln und – mit lebendigem Gesicht – reiben sie es in die Blumenampeln der Passage.

Maurice sieht.
Er schaut über die Straße.

Lassard, ein eleganter, junger Mann, küsst eine alte Italienerin, schneidet ihr die Kehle auf und legt sie auf den trockenen, da überdachten Boden der Passage; aus den Blumenampeln schwappt rotes Licht, während sich das lange Platschen des Wassers darüber ergoss. Glich dem Geräusch eines Fisches, der entschuppt und ausgenommen in einen Teich geworfen wird. Lassard bleibt freundlich.
Am anderen Ende der Straße ist die Polizei bereits zu erkennen; das Blaulicht bleibt in dem fließenden Ampelwasser stehen und taucht die Passage in Purpur. Trockene Manticor-Bäuche drehen sich an die Stelle der Köpfe der erwachsenen Männer. Vorbeiziehende Kindergartenfrauen drücken der Italienerin eine Laterne in das Gesicht. Die Kinder verschwinden an einem Aufgang zur höheren Stadt. Die Polizisten tragen die Italienerin fort, rollen sie unter der goldenen Laterne fort, phasisch berühren sie Lassards Aktentasche und es knistert darin das Brot, dass sie versöhnlich werden oder zurückgehen. Sie fahren ohne Licht aus der Straße, Maurice windet sich etwas in seinem Abend auf.
Lassard ist freundlich.
Eine Frau mit blonder Perücke, die ihre Hand beriecht, nimmt er und er küsst sie. Noch während er sie küsst, drückt er seinen Zeigefinger in ihren Hals. Aus der Blumenampel spritzt glucksend Wasser, während die Ampel über der Italienerin leer und der Flieder darin verblüht ist. Eine Kindergärtnerin mit Laterne lässt die Laterne zuerst in der Nacht liegen, dann nach einigen Momenten über denen ein umkippender Körper liegt, der weich und nackt, wie ein enthaarter Kojote, in dessen Körper man sogar das Aneinanderrühren der Organe vernimmt, rollt sie die goldene Laterne in das rote Licht, das aus der Blumenampel fällt. Das Lichtgemisch macht sie starr. Die Nacht haucht und saugt. Maurice krallt seine Finger in die Tasche; das Leder knarzt.
Die Kindergärtnerin verschwindet am Aufgang zur höheren Stadt. Der Regen erlischt, der Wind bläst mit einem menschlichen Hauch das Wasser aus allen Ampeln und durch den Flieder. Der Flieder liegt ordentlich zerstreut, die ganze Straße ist mit Fliederblüten bedeckt. Lassard verschwindet in dem Aufgang eines Hauses. Am Ende der Straße steht eine Person auf dessen halben Hals eine persische Hand ruht. Sie ballt die Fäuste, gleich als wollte sie schreien. Maurice folgt Lassard über die, mit Flieder bestreute Straße. Er tötet Lassard indem er ihm den Hals zerpresst. Hierzu schließt er eine seiner Hände in die andere ein.

 

Vier ist die Zahl

•13. Januar 2016 • Kommentar verfassen

Die Zahl der Kapitel in jedem meiner Romanentwürfe.
Die Zahl meiner Bücher.
Die Zahl der Liebhaber von Artemis Silber.
Die japanische Zahl für den Tod.
Und ein niederländisches Astrologiebuch hat es in seiner Weisheit so bestimmt, dass sie meine Zahl in der Eigenschaft eines Schorpien sind.
Na, vor soviel Autorität kann man doch gar nicht aufmucken, also habe ich auch jüngst beschlossen, dass ich 4 Projekte habe.
Wo ich doch schon bei 2-3 so zügig vorangekommen bin!

Ja, aber mittlerweile habe ich den ultimativen Zeitbonus auf meiner Seite; ich habe ja gebettelt nach mehr Zeit und nun habe ich soviel Zeit, wie ich nur essen kann, bzw. genug, dass sie mich auffrisst. Komm ich bei der Zahl meiner Segen auf 4 wenn ich sie aufzählte? Wer weiß? Aber ich müsste arbeiten, wie es den arbeitsschutzrechtlich-jungrfräulichen Gepflogenheitenin in einer Diamantmine entspricht, damit es demnächst die durchschnittliche Zahl meiner täglichen Buchverkäufe oder die der Leichenbeschauer meines Blogs darstellen sollte.
Neue Jahre haben bisher ja seit einer Weile nicht mehr neue Bücher herangebracht. Doch zuverlässig brachten sie immer viel Nachdenklichkeit, allermindest solange noch ein Rest an Eierschale an ihnen haftete, wie an frischgeschlüpften Küken, einer frischgeschlüpften Schlange, frischgeschlüpften Basilisken und – um es auf die 4 zu bringen – frischgeschlüpften Zuversichten, welche ebenso dem Phänomen der Prägung unterworfen wie das erste.
Günstigen Falles auf das Muttertier.
Ungünstigen Falles auf ein Geisterschiff, das brennend – obwohl aus reinem Gold und somit nie wirklich geeignet die Reise anzugehen –  in einen schrecklichen Mahlstrom, der durch seine Existenz allein schwer auf allen Seelen lastet, der Umarmung katastrophischen Chaos‘ entgegen eilt.

Tja, das Übliche halt.

Worauf wollte ich eigentlich hinaus?

Ach ja, meine 4 Buch-Projekte (ich habe noch mehr, dann ist die Sonne des einzigen Stoffes, der diesen Text zusammenhält aber verloren: die magische Vier!) nach Prio:
1. Roman fertig machen (nachwievor)
2. Anthologie aus meinen 4 Bänden fertig stellen
3. Nächsten Roman schreiben (Seite 33 und ich habe ne Ahnung, worum es gehen könnte)
4. Einen neuen Erzählband schreiben (irgendwas mit Liebe; ich bin über 30 – warum nicht endlich uncool werden?)

Tja, das ist der Stand.

Über die Buchprojekte hinaus suche ich übrigens nach Wegen mich schriftlich zu betätigen; ich finde, bei der zwingenden Kohärenz meiner Gedanken zwängt sich das auf (Vorsicht: Zwinkersmiley:) 😉
Aber das Meer der Möglichkeiten… selbst wenn man Kapitän seines eigenen Schiffs ist, entscheidet das Meer wohin es dich lässt und… es ist einfach enorm groß, Leute. Im Ernst.

Neue Jahres-Vorsätze?
1. Veganismus (warum musste mich jemand ausgerechnet jetzt darauf bringen, wie sehr ich Kefir mag?!)
2. Fleißig sein (nein, ehrlich jetzt, Leute)
3. Versuchen eine Energieform zu entwickeln, die sich aus der Unordnung in meiner Wohnung speist (ich bin auf die Idee gekommen als ich entdeckt habe, dass meine Hemden in meinem sogenannten „Kleiderschrank“ einen Quantencomputer gebildet haben; leider ist er kaputt gegangen, als ich durch Folge von Vorsatz 1 bereits 2 Kilo abgenommen hatte und ich eins der Hemden wieder tragen konnte)
4. Das nächste Buch publizieren… hmm, das ist aber schon Punkt 2… okay, dann irgendwas mit Artischocken.

Soviel erstmal.
Meine Texte werden ja meistens gemäß des Stream-of-Consciousness geschrieben (diese schöne Vokabel hatte mir Joyce einst mal beschert) –  welchen Einfluss ein Arsenal an Zeit darauf haben wird, verfolge ich selbst mit größtem Interesse; auf jeden Fall breiten sich schwere und viele Gedanken in die Abende, die eigentlich uns doch just in den Kalender in unserer Handinnenseite verprochen hatten, dass sie kürzer werden würden um den Licht den Passage zu gewähren.
Die Versprechen die dieses Jahr schon gemacht hat – welche löst es ein?
Nun, die Nacht hatte schon als sie hereinbrach sowas Längliches an sich – ich schätze, ich kümmere mich mal um die meinigen.

Soweit erstmal; ein schönes 2016 euch allen!
(Und warum publiziere ich jetzt wieder was am Tag meiner Glückszahl, ts?)
Christian

Zuletzt noch zitiere ich kurz aus Catoblepas, nachdem ich es gerade blind aufgeschlagen habe, der Text „Schwimmer“:

Da sind Körper:                            

[dort, der
Schwimmer!]

[endlich, endlich, endlich]
All diese verschwommene Masse
wird in einen türkisen Tiegel geworfen […]

Da steigt das dunkelblaue All an die Oberfläche
Unendliche Schwärzen, Sternen in den Haaren

 

 

Romane gehen ohne Armbrüste auf der Straße spazieren

•13. November 2015 • Kommentar verfassen

Guten Tag beisammen,

es ist nun ein halbes Jahr her; eine konsequentere Vernachlässigung meines Blogs habe ich selten praktiziert, aber inzwischen sind das äußerst übliche Einleitungsworte. Zum Beitrags-Fleisch:

Es hat ein Jahr in Anspruch genommen, wegen einer zähen Anlaufsphase sogar etwas länger vielleicht, aber ich habe einen neuen Roman geschrieben. Nun habe ich im Zusammenhang mit „einen Roman schreiben“ nie eine solche Zeitspanne erwähnt und während vorige Projekte, die immer noch sehr in der Warteschleife vegetieren, erst durch post-handschriftliche Aufplusterung Richtung 250 Seiten gemästet wurden, hat dieser in seiner rein handschriftlichen Fassung 400 Seiten und übertrifft an Konzeption bei Weitem alles, was ich jemals zuvor geschrieben habe – zumal, wenn man bedenkt, dass mein letzter regulärer Literatur-Band mit 2-6 Zeilern zu größeren Teilen auskam. Nun, gewisse Extrem-Tendenzen waren bei mir stets zu finden (im selben Band fand sich meine längste und womöglich am schwersten zu verstehende Erzählung, je nach Blickwinkel und Beschaffenheit des Lesers), aber diesmal habe ich (eventuell wiederholt) ein paar Vögel abgeschossen. Obwohl ich Vögel mag :3. Sagen wir: Grashüpfer. Die sind weniger meins.

Das Abtippen des Roman-Entwurfes „Die 4 Liebhaber der Artemis Silber“ ist dadurch vollständig zum erliegen gekommen und nun… wird schlimmstenfalls eben dieser erst mein zweiter publizierter Roman. Oh, und nachdem ich mich (in Paris, an meinem Geburtstag) davon erholt habe, mein aktuellstes Projekt handschriftlich abzuschließen, habe ich mich gleich auf mein nächstes gestürzt – und hab mich von einem sehr populärem Virus infizieren lassen. Nein, nicht Myxomatose, sondern Trilogien.

Sowohl „Artemis Silber“ als auch „Cumulus“ (AT) haben ein paar Schnittstellen – was sich aus meinem, nachwievor, assoziativem Vorgehen beim Schreiben natürlich zwangsläufig ergibt… und das Ganze ergibt in Synthese natürlich ein „Mehr“, welches sich in einem dritten Roman niederschlagen wird.

Welcher Roman eher erscheint von den beiden, ist momentan leider noch etwas unklar; Anfang 2016 werde ich wahrscheinlich wesentlich mehr Zeit haben (Arbeitsvertrag läuft aus und Anschlusstätigkeit ist noch nicht ganz klar) – in dieser Zeit wird sich dies entscheiden.
Cumulus“ ist handschriftlich einfach „kompletter“ – ich muss weniger nachbearbeiten, lediglich die guten von den bösen Heringen scheiden, und die guten Heringe besser streuen, hehe (bedenkt: wenn ihr bisher bei ner Erzählung von mir auf Seite 4 gelesen habt, wusste ich zu dem Zeitpunkt selten, was auf Seite 5 passiert, geschweige denn im nächsten Absatz – der Umfang ist beim Roman 1:30, aber dennoch…)
Artemis Silber“ ist viel assoziativer und ich musste viel ergänzen. Die Figuren haben aber mehr Liebe verdient, ergo ist
es schwieriger, eine homogene Endfassung zu erreichen; vor 5 Jahren hatte ich zwar schon ein viel definierteres Schreiben als zu Zeiten von „Catoblepas“ (dessen Stil-Chimärenhaftigkeit ja schon im Titel steht), aber eben ein viel „rein-stilistisches“ gegenüber dem aktuellen Roman, der manchmal fast ein „rein-erzählerisches“ hat.

So gesehen, widerstreiten beide Bücher sich heftig:
damals war mein Leben „freier“, aber auch schwieriger, was in mehr schrägen Stil gipfelte, auf den ich heute manchmal heftig neidisch, ja, fast schmerzhaft eifersüchtig bin, da mein Leben zur Zeit gestreamlineder ist.
heute kann ich größeres fokussieren, besser mit Figuren umgehen, aber dazu muss ich mich öfter eines intentionalen Stiles bemächtigen. Wo man manchmal sagt „Show-not-tell“, habe ich früher selbst nur sehr rätselhaft überhaupt geshowed ^^‘. Aber ab einer bestimmten Epik (der Begriff klingt heutzutage etwas überhöht, sollte aber als Mittel gesehen werden), kommt man ohne (mal mehr, mal weniger griechischem) Chor nicht mehr aus.

Also – es wird lustig. Aber dieses Jahr hat mich die Muse nicht nur geküsst sondern dreckige, wunderbar schmutzige Liebe mit mir gemacht ^^ (okay, wenn es irgendwann die Fans tun, nimmt die Muse meist den Bus, aber ich habe bislang noch nicht zu zwingend das Gefühl, dass das bald ein „Problem“ wird, ähem), daher bin ich optimistisch, dass ich nächstes Jahr mal wieder was liefer.

Oh, und die Anthologie (quasi das „Best-of“ meiner 4 bisherigen Bücher) steht noch aus, ist aber nicht unbedingt unmöglich zu verwirklichen (AT „Ich bin der schlimmere Frühling“), bloß… tja… Zeit. Wenn die jemand spenden könnte: die Nachfrage wäre größer als nach Geld ._.

So weit erstmal,
Christian

Kyoto

•14. Mai 2015 • Kommentar verfassen

Moin beisammen,

es fällt nicht allzu unmittelbar hier auf, wenn ich mir mal die Freiheit nehme um in den Urlaub zu fliegen, daher… ja… ich war im Urlaub 😉
Und zwar im schönen Kyoto.
Was könnte ich euch alles über Kyoto erzählen… aber, jupp, ich tue es nicht ;-). Es geht mir da vielleicht wie mit Katalonien vor 8 Jahren… es wabert in meinem Kopf herum und wird sich später vielleicht auf’s Schreiben auswirken, aber momentan ist mir ganz komisch zu Mute wenn ich auch nur versuche daran zu denken, dass ich vor 1,5 Wochen noch in Kyoto war… Es ist, als ob ich nie da gewesen wäre – bezeichnenderweise hatte ich übrigens das ultimative „ich bin zuhause“-Gefühl erst, als ich Dienstag im Allegretto saß, meinem derzeitigen absolutem Lieblingscafé zum Schreiben. Es ist merkwürdig… ich bin hier und fühle mich gleichzeitig alltäglicher wie nie und gleichzeitig… sehr abgedriftet. Die Folgen, dass ich mir „nebenbei“ mal einen Lebenstraum erfüllt habe, werden sich wohl erst langfristig zeigen; als ich in Katalonien war, war ich noch ein sehr… ja, ich würde glatt sagen: depressiver bis phlegmatischer Charakter. Depressionen hatten bis dahin mein Leben tatsächlich bestimmt und taten es (im geringerem Maße) auch noch bis ich 25 war, bis zum vorzeitigen und gleichzeitig späten Ende meines Germanistik-Studiums. Vielleicht lag es an diesem langen „Schlaf“, aber das Mysterium Kataloniens habe ich zwar in Erzählungen damals gut begriffen (die besseren Erzählungen Catoblepas stammen alle aus dieser Erfahrung), aber wirklich „fassen“ kann ich die Landschaft erst heute. Und ich fahre dieses Jahr, zufälligerweise eigentlich, wieder hin, mit meiner Mutter.
Über beide Landschaften, die von Katalonien und Kyoto könnte ich viel erzählen, aber ich fühle mich hier kaum in der Lage dazu. Vielleicht sollte ich dem einmal eine extra-Rubrik widmen; war es bei Katalonien noch die Landschaft (obwohl der Stolz der Katalonier eine Art „magischen Nebel“ auf alles wirft, wenn man ihre Sichtweise akzeptiert), ist mir in Kyoto vor Allem die Art der Japaner sympathisch geworden; anders als in Spanien/Katalonien/dem Bayern Spaniens habe ich sicherlich viele Beleidigungen gar nicht lesen können, aber mir kamen die Leute so angenehm höflich vor und der Stock in meinem Arsch japanischen Ursprungs sein…

Aber das Ganze muss ich separat irgendwann mal erfassen. Tatsache natürlich ist, dass ich mich anders fühle zuhause. Man hat eine Christian-Figur genommen und sie weiterleben lassen vor Ort und ich wurde mir ihr am Freitag ausgetauscht; ich bin fast diese Figur aber irgendjemand hat irgendeinen grundlegenden Unsinn mit ihr angestellt.
Auf jeden Fall wächst mein aktueller Roman weiter, Problem ist nur: der Roman, den ich schreibe, will den, den ich aptippe überrunden. Und noch schlimmer: sie sind Geschwister. Sie haben interessante Unterschiede in ihren Nuancen, eigentlich sind die Unterschiede vehementer als Nuancen, aber doch gehören beide einer Gattung an… wer weiß, ob dieses Buch nicht der zweite Teil einer Reihe wird? In meinem Kopf brennt so vieles, aber ich müsste mehr Körper haben als diesen um all das aufzufangen.
Wenn ich mich von außen betrachte, bin ich längst nicht mehr als ein Otaku, ein Sammler, Querulant, Exzentriker, aber Energie ist da… bloß für den Geist gibt es nicht genug Gefäße…
in Kyoto habe ich es gedacht, ich müsste wie eine Zwiebel Ringe aus mir herausschneiden. Ich weiß es nicht.

Ich bin auf jedem Fall fleißig am Arbeiten…
Und ich muss mal nachschauen, weil es in Bremen eine Graitszeitschriften mit Werken mit mir gibt!
Beinahe vergessen 😉

Nonsensula-bye,
C.

Die 4 Liebhaber der Artemis Silber (Ausschnitt, unnummeriertes Fragment „Lumumba“)

•7. März 2015 • Kommentar verfassen

Der gestiegene Meeresspiegel hat einen Vorteil. Marius liest das. Es beeindruckt ihn, das zu lesen, obwohl das per se kein Wissen ist, das er nicht schon gehabt hätte. Er sprach die Silben ganz langsam aus.
Lu-
mum-
ba.
Wow, Hammer! Das ist groß. Sehr groß. Er dachte, war ja damals schon zu groß. Die Zähne wurden aus der Nordsee hochgesprudelt und in eine manchmal nackt stehende Felsknolle gespült. Aus Gründen dieser Halbsichtbarkeit meidet jedes Boot mit einem Reiter klaren Geistes diese ehemalige Uferregion. Denn diese Uferregion schied nun in anderlei Hinsicht und für auserkorene Seelen Land von unendlichem Wasser.
Was man nicht fand, waren die Patronenhülsen, aber er war sich nicht mehr sicher, ob man sie mit versenkt hatte.
Im Hof war Tumult. Eine alte Dame zog ein kleines Mädchen am Pferdezopf. Dann flog sie vertikal hoch in die Luft; dabei verlor die Greisin ihre kreischende Last nicht. Aber irgendwann ist sie zu hoch um sie zu sehen oder, vorher bereits, sie noch hören zu können.
Lumumba. Er hatte es sich mit allen versaut, wurde dafür schließlich verscharrt, und es sind massive Missstände gegen die er sich geworfen hat, aber… sein letztes Jahr liest sich, als ob er einfach ein Arschloch gewesen wäre. Der arme belgische König; er erschien ihm wie eine Schmunzelfigur; ein kolonialtranszendenter Frownie. An dessen Namen erinnerte er sich nicht, aber an Lumumba. Vor Allem, weil er das Zeug im Winter gerne als Frostschutz nutzte. Winter ist keine gute Zeit für kommunistische Kongomythen. Aber heiße Schokolade, Brandy, goldene Zähne von Ministerpräsidenten und an Felsenknollen vorbeischwebende Skelette von zugedröhnten Teenagern mit Bootsführerscheinen.
Im Hof war schon wieder ein Tumult. Eine Katze, so groß wie ein Automobil, mischt sich in eine Schlägerei zwischen zwei nicht existierenden Syndikaten ein und wird Königsmacher.
Seine Traurigkeit wird niemals enden, aber ein wenig schmunzeln musste er schon.

2015 – Neues Jahr, alte und neue Projekte, alte und neue Viererlei-heiten

•8. Januar 2015 • Kommentar verfassen

Moinsens,

so, ein neues Jahr steht an und es ist mal wieder Zeit sich zu besinnen und einen Blick darauf zu werfen, was dieses Jahr denn vorangebracht werden will…

Bislang ruht hier alles ein wenig, da ich weiter dabei bin meinen (in Auszügen noch) unverständlich(er)en Roman „Die 4 Liebhaber der Artemis Silber“ (AT) einzutippen und zu mastern. Das Ganze ging nicht so schlecht voran, nur ist es nach den Feiertagen immer etwas schwierig wieder an Fahrt aufzunehmen; dies bleibt auch das vorrangige aktuelle Projekt – wenn auch nicht mein meist Geliebtes, ähem…
Denn während ich diesen eintippe, schwinge ich nach wie vor den Stift um an einem neuen Roman zu arbeiten. Er wird wahrscheinlich 4 Kapitel haben (ich mag die Zahl 4 irgendwie, kann das sein?) und ich bin nach etwa 6 Monaten beim Ende des ersten… also ein größeres Projekt, was aber letztendlich daran liegt, dass ich es etwas geruhsamer angehe und es erschreckend große Ausmaße an… N a c h v o l l z i e h b a r k e i t  beinhaltet. Christian Mauck schreibt was Verständliches und als nächstes verdunkeln Heuschreckenschwärme die Sonne… ach ne, das mit den Heuschreckenschwärmen hatten wir ja schon.
Apropos Dinge, die wir bereits hatten: meine nächste Publikation wird diesmal etwas Besonderes (natürlich ist JEDE Publikation von mir etwas Besonderes, aber… ach, warum beende ich nicht einfach erstmal den Satz?), denn es handelt sich um eine „Anthologie“… ähm, eine Sammlung. Ein Sampler. Ein Best-of.

Hintergründe sind Folgende: ich habe jetzt 4 (da! Schon wieder eine! Und das vor einer anstehenden Japan-Reise! Kein Omen, hoffe ich) Bücher publiziert und da jetzt die nächsten Publikationen Romane zu sein scheinen, bzw. ich somit quasi in eine neue „Phase“/neuen „Modus“ eintrete, habe ich mir gedacht, es ist mal Zeit meine ersten Publikationen zu resümieren. Die Auswahl ist bereits größtenteils getroffen, aber die einzelnen Details muss ich noch herausfinden. Ein weiterer Grund ist, zugegeben, auch die bessere „Vermarktbarkeit“ meiner früheren Sachen, wenn sie in einem Buch zusammen finden. Ich habe bislang nie großes Marketing betrieben (die größte Marketing-Aktion war qewissermaßen meine Präsenz bei einem Lesekreis dem die Mutter eines Freundes angehört… und obwohl es ne interessante Erfahrung war, war es auch etwas obskur, da es sich größtenteils nicht exakt um meine Leserschaft handelte), aber prüfe, ob ich das bei diesem Buch nicht etwas besser machen kann; notfalls auch etwas Geld darin zu investieren. Last but not least kann ich eventuell noch ein paar Schnitzer separat nachfeilen – etwas, was bei den vier anderen Büchern insgesamt zu aufwendig wäre, offen gesprochen.

Tja, also diese drei Projekte bestimmen aktuell mein Schreiben; mal sehen, was daraus wird…
Hmmm…. vielleicht kommt ja auch noch ein viertes dazu… (verdammt!)

Euch allen ein schönes 2015.
Kauft meine Bücher.
Der Christian
(bei Amazon oder Bod… schon bestellt?)

(nun macht schon, Daddy braucht ein neues paar Schuhe… und Kaffee…. verdammt viel Kaffee)

Die 4 Liebhaber der Artemis Silber (Kapitel 33)

•13. Dezember 2014 • Kommentar verfassen

„Slightly cozy“ Ein großer schwarzer Käfer blendet ihr Gesicht aus, dachte sie, als sie Artemis im Zentrum des Marktes von der Seite ansah.

Es ist Wochenende, na ja, zweimal pro Woche ist Wochenende. Heftige, überforderte Mütter waschen am Brunnen einer Pizzeria falsches Erdbeereis aus den Haaransätzen auf ihrer Brust. Ein austauschbarer Kosmos. Sedna spuckte den Kern einer faulig schmeckenden Traube aus; etwas Fruchtfleisch hing noch daran und ließ es ziemlich unsauber wirken. „That’s it! Bye“, Sedna sah dem saugenden Geräusch nach. Die Sonne hatte einen ätzenden Schein, so dass alles sich in falschem Licht dahin gesetzt fühlte. Die Menschen verhielten sich außerordentlich seltsam; eine kleine Schiefstellung ihres gewohnten Habitus. Die Menschen sehen wie 3° gedreht aus. Gnade Gott; nur ein dilletantischer Stümper würde etwas mit solchen Naturzuständen zur Welt setzen. Über die Ninh-Silber-Gasse wankte schief ein steinerner, aufgemischter Atlas. Die kleinen gelben Flecken und Chiasmen, die an ihm hafteten, waren tatsächlich nach Zitronen schmeckender Schmand. In Artemis Hand tropft von Aromen ertrunkener Rost. Sie neigt sich über den Rost. „Sedna, du weißt, dass ich das hasse“  Da Sedna nicht weiß, ob sie das Spucken der Kerne oder die unablässigen Anrufe aus durch zeitliche Anomalitäten erzwungener Hilflosigkeit meint – denn beides hätte sie nicht zum ersten Mal gesagt – bevorzugte sie die ewig wiederkehrende Entschuldigung. Die Wochenenden begannen zu Eckpunkten zu werden, die Sednas Dasein einschlossen, so präzisierten. Ihre Dankbarkeit hielt sich aber in Grenzen und trat nicht über die Ufer, denn sie war gezwungen zu folgern, dass eben diese auch einen Teil von Artemis Persönlichkeit einrahmten, einen Teil ihres Gesichtes einrahmten. Und was Art in diesen Menschen sah und welche Spur dies zu ihr selbst auslegte, verstand Sedna einfach nicht. Wenn es eine Verbindung gab zwischen diesen bekannten Eckpfeilern und Sedna, bedeutete das, dass Sedna nicht einfiel, wofür sie geliebt wurde und weshalb überhaupt. Die beiden Frauen klettern durch Stände toter Meeresschildkröten, die mit den Beinen in die Luft gestreckt in großen Läden lagen; leicht abgenutzte Datenträger und Modelle unerschwinglicher Fahrzeuge; zwischen befremdlichen Abwasserläufen und Laubdickichten verfiel die Sonne in kompromittierendes Lispeln. Sie drücken sie in ihrer gemächlichen Hast durch eine Gruppe von Italienern in ockerbraunen Anzügen unter denen gelbliche Hemdkragen hervor blitzten. Ein Gestrandeter, dessen Weisheit nicht bis ins Unendliche reichte, hätte den Anblick mit „Die Katze im Innern“ betitelt, doch fand das Geschehen in seinem Rücken statt, während er einen Restaurantbesitzer, vornehmlich nach den Speisen, die dieser aus den Gesichtern von Tieren schnitt, um Antworten ersuchte –

zwei Frauenfetzen.

Menschenfetzen, gleich Alkalimetallen in Alkohol in den durch Hormone eingerahmten Legislaturperioden der Weltanschauungen aufbewahrt –

das Leben der Artemis Silber ist von viel Stress begleitet, der an ihr selbst aber nie wagt auch nur sichtbar zu werden. Für sie sind hundert Menschen eine kontinuierliche Geschichte, die sich streckenweise untereinander vernetzen, dann wieder gar in Einzelstränge sich zerrissen und weiter verliefen. Sedna schaut hinter torkelnden Vögeln her. Zu lange gebraucht um eine Liebesbeziehung zu haben, nie gewöhnt an die Insider und Geheimsprachen. Nie an die Vergangenheit eines anderen gewöhnt. Dass da ein Leben ist. All die großen, schlauen, waghalsigen Gedanken, vergeben allein weil man selbst sie nicht mühevoll halten wollte, während sie dich einen anderen, der da wäre, gegenüber Gestalt annehmen lassen.

Sie sieht sich anfangen ihre klugen Gedanken zu notieren… der Mensch setzt sich einmal hin zum schreiben und bleibt dort für das, was er noch Leben nennt. Nicht weil er es mag, sondern aus Angst, womöglich auch, weil er glaubt, dass er nichts anderes kann. Nimmt er es würdelos, ist er ein Feigling vor dem Leben, nimmt er es mit Würde, ist es sein Karma. Ist es das wert? Nur aus Angst einfältig zu sein, keine Tiefe zu besitzen, in einem einzigen Layer, an einer einzigen Erscheinung zu hängen…

Die 4 Liebhaber der Artemis Silber (Ausschnitt Kapitel 8)

•25. Oktober 2014 • Kommentar verfassen

Nachdem Schopenhauer es hinter sich hatte, drehte der Kurator des Wachsfigurenkabinetts einfach durch und goss die anderen Figuren allesamt – eine unmenschliche Ursuppe – in die Gosse. Nur wenige kapieren den Sommer.

Marco lehnte an einer weißen, von der Sonne beschienenden Kalksteinwand und lauschte dem Flötisten, der sich unentwegt verspielte. Schließlich erstarrte er und blickte Marco an, „ich puste den Schnee von deinem Haus“, und spielte weiter.

Marco saugte trocken an der Zigarette, was noch ging, dann schritt er auf die große Allee hinaus. Er sieht noch die großen Insekten – unter Strom, hergeholt aus den Nächten. Ein Anflug, ein Zuruf aus der Bedeutungslosigkeit. Zynische Dinge heben sich den Weg entgegen; ein ehemaliges Geschäft für Rauchmelder; das alte Werbeschild „Wer weckt sie bei Feuer? Der Rauchmelder“; „Der Rauchmelder“ wurde durchgestrichen und darüber steht „Der halbverkohlte Hund“ mit einer geschmacklosen Krickelei. E.T.A. Hoffmann hätte sie nicht gefallen.

Aber das Leben ist wunderbar. Hundertschaften tragen sich mit reinem Entsetzen, doch diese einzelnen Partikel erhellen sich doch und leuchten, oft noch im Angesicht des menschlichen Widerstrebens.

Marco erschaudert. August verbrannte in allen Kerzen; Wünsche formulierten sich in den am wenigsten der Sprache begabten Mündern zu makelloser Schönheit und Einleuchten; die phantastischen, grotesken Erscheinungen gaben dem Herzen weder Last noch erneuerten Laut.

Marco lüftete den Ärmel, die Sekundenzeiger kringelten sich, ansonsten war das Blatt der Uhr ein schreiendes Loch.

Sie haben Hunger, dürsten grässlich oder stöhnen, ineinander gelegt, auf. Er balancierte eine Krone Laub über dem Solar Plexus, das Haar schob sich im asynchronen Wiegen des Schrittes auseinander. Der Versuch einem Hintern in Jeans hinterherzulaufen, doch, wenngleich ruhig, nicht recht zu gewinnen.
Im Saltout-Park entfernen die Bauarbeiter die neuen Laternen; sie waren zu gläsernen Menora und Gabeln geformt und das Design sah einen unregelmäßigen, zufälligen Betrieb vor, doch verführten sie zu sehr Vögel ihre Nester darin zu erreichten und so schmolzen in den von Designern erflehten Stunden unzählige Bruten dahin und hinterließen einen verhärteten, schwarzen Brei.

August 1880; der Junge vom Zirkus spielt, kaum neun, ein erotisches Lied. Der Weißclown legte seine Hand flach auf seinen Rücken, den sie ganz bedeckte, „mein Lieber, das ist zu geschmackvoll“. Der Junge widmete sich anderen Künsten, wenn nicht unverwandt, so erlernte er einen weichen Sopran in seiner Kehle zu bilden, den er aus seiner Wildheit heraus bis über den Stimmbruch hinaus beibehalten konnte. Bis 1913 übte er sein Fach aus und wandelte sein Leben zu dessen Vollendung, doch dann, bei einer Auführung in Bukarest, zog er die durch Messerkunst herzförmige, purpurrote Eichel aus dem Schlitz der Stoffhose. Der Souffleur drohte ihm Skelette von Auftragskillern auf den Hals zu hetzen, doch sein Gegenüber floh durch einen Vorhang. Er verbarg sich im Laut der Jahreszahl 1890 und dort verblieb er auch. In diesem Jahr liebte er es zu onanieren, sich gelegentlich die Kappe des kleinen Fingers an den After zu legen, und ändern wird sich das nicht –

Marco lehnte sich gegen die Lippe des alten Bewässerungstunnelsystems; er belebte eine vergangene Uhrzeit neu und addierte einige Minuten, dann verdoppelte er sie im Geist. Er sah in die nicht zu durchdringende Dunkelheit. Wäre der Zugang verschlossen, wäre es für die Wenigen mit Erlaubnis sicherer. Der Zugang war nicht versperrt.

Die 4 Liebhaber der Artemis Silber (Ausschnitt Kapitel 48)

•16. Oktober 2014 • Kommentar verfassen

„Diese Ausgabe entstammt den Nachlass des letzten österreich-ungarischen Adels“ Artemis zuckt in einem kleinen Anflug von Ehrfurcht zusammen, bevor sie schließlich – und das in einer betont gelangweiligen Bewegungsabfolge – das Buch in das Regal zurück schob. Larsa ließ den Controller in das Sofa sacken, leicht überfordert. Der Professor kniff die Augen zusammen; „was hast du denn zuletzt gemacht?“ „Das ist eine seltsame Geschichte…“ Das Luithenberg-Projekt; wie man das an Besten erklärt; es ist besser, dabei gewesen zu sein. Es war eine grandiose Erholung – das Zusammenwachsen, die Entfaltung unahnbarer Talente, das Licht, die gute Luft unter dem subtropischem Inselhaar… und dann kroch allmählich der große, gelantineartige Schneckenleib des Alltagslebens in seine Kalkhülle von Bedeutungslosigkeit zurück.
„Hunderte Fliegen habe ich in ihre Puppen zurückkriechen gesehen in der Spanne eines einzigen Moments. Und das, als gerade das Fleisch sich selbst lehrte wieder Fleisch zu sein. Schnallen aus Stickstoff, die ächzenden, doch satten, genügsamen Lautbildern in ihre Umarmungen rutschten; eine ganze Epoche, ein ganzer Sommer mit entmenschlichenden Kosenamen als Primärsubstanz eines ausgedehnten und ausufernden Flirts. Korrosion hat Häuser in die Luft gejagt; Augäpfel flossen unter Gullideckeln entlang und betörten den Gott, der sie einmal verfluchte; Theater schlossen auf Grund von Besuchern die Unsterblichkeit empfanden.
Ein nackter Rubensschenkel war der reinste Dreck. Die Hörer von Belvez (eine Musikgruppe, die gerade sehr beliebt war, deren Musikverständnis man schon nicht mal mehr wohlen Gemüts als „postmodern“ bezeichnen konnte)…“